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Der Flugpionier Albrecht Ludwig Berblinger hatte um 1810 das weltweit erste Gleitflugzeug entwickelt, das aerodynamisch konstruiert, flugfähig und lenkbar war. (Der Einbau eines Motors (Gebr. Wright) war dann naheliegend.) Warum aber ist er bis heute nicht mit seinem Namen, sondern als der "Schneider von Ulm" bekannt? Ein Flugblatt, das damals verteilt wurde, kann einen Hinweis geben:


"So endete die Kunst vom Fliegen, der Berg gebar nur eine Maus.

Oh, schickt den Meister im Betrügen nach Ludwigsburg ins Narrenhaus.
Der Schneider bleibe bei der Nadel, der Schuster bleib dem Leisten treu.
So lebt ein jeder ohne Tadel und bleibt von Schimpf und Vorwurf frei.“

Vorangegangen war eine Flugvorführung, die vorzeitig endete, indem ein Beamter den Berblinger mitsamt seinem Fluggerät zur Beschleunigung des Vorgangs einen Abhang am Donauufer hinabstieß. Die Trümmer des Gleiters wurden dann auf behördliche Anordnung öffentlich verbrannt (unzulässige Verwendung von Bambusrohr als Baumaterial). Nicht nur das Flugzeug, auch Berblinger selbst waren erfolgreich gebrochen und heute schmückt sich die Stadtverwaltung Ulm mit einem Nachbau des Gleiters.

Mit dieser Einstellung konnte man Deutschland für Jahrzehnte im Zustand eines rückständigen Agrarlandes halten. Erst als dies wirtschaftlich und militärisch nicht mehr nützlich erschien (andere Länder hatten Industrie), wurde staatliche Repression gemildert und Fortschritt positiv konnotiert.

Die Folge war eine beispiellose Aufholjagd (furor teutonicus) in Wissenschaft und Technik, die bis 1914 (im zweiten Anlauf bis 1939) extrem erfolgreich war. Man glaubte aber, Fortschritt sei so etwas wie ein Nutztier, nicht eine Geisteshaltung. Die Folgen dieser Fehleinschätzung sind bekannt.


Es gibt viele ähnliche Geschichten, z.B über Philipp Reis (Telefonie). Aber das waren ja andere Zeiten: Damals hielten ausführende Organe Borniertheit für eine Kompetenz, die Inhaber von Privilegien sich selbst für Eliten und die Herrschaftsunterworfenen ("die Menschen") waren höchstens mit den Ergebnissen unzufrieden.

(Das Festhalten an der Passivtechnik ist natürlich nur ein sehr kleines Beispiel.)

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